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Frieden

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... In einer kleinen Provinzialstadt, nahe der Residenz, lag ein einfaches Landhäuschen vor dem Tor.

Im Erdgeschoss wohnte der Besitzer, ein betagter Rentier mit seiner kränklichen Frau, die erste Etage hatte die verwitwete Regierungsrätin Hoff mit ihren Kindern, einer erwachsenen Tochter und drei minderjährigen Söhnen, inne. Da die Vermögensverhältnisse äußerst bescheiden waren, lebte die Familie sehr still und zurückgezogen, kaum dass Severa eine Teegesellschaft oder einen Ball besuchen konnte, denn »für nichts« mochte keine Familie mit Töchtern das schöne Mädchen einladen und Neid und Missgunst bemühten sich eher, sie überall fernzuhalten, anstatt sie zu fataler Konkurrenz heranzuziehen.

Der Flieder stand in Blüte, berauschende Duftwogen stiegen aus dem Garten zu dem einsamen Erker empor, in welchem Severa Hoff mit einem tiefen, ungeduldigen Seufzer die feine Stickarbeit aus der Hand legte.

Es war zu dämmerig geworden, um den Goldfaden noch durch die weiße Seide zu ziehn, und das junge Mädchen schaute einen Augenblick mit gefurchter Stirn auf die kostbare Stickerei nieder, welche sie für eines der ersten Konfektionshäuser der Residenz auf Bestellung arbeitete.

In den dunklen Augen glühte es heiß und leidenschaftlich auf und die weißen Zähne schnitten scharf in die Lippe, als müsse ein immer wieder aufquellender Groll gewaltsam verbissen werden. Welch eine funkelnde Pracht von Gold und Pailletten entstand unter ihren rastlos fleißigen Händen! Für wen? ...