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Die Bären von Hohen-Esp

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... Währenddessen träumte das junge Paar eine zauberhafte Spätsommeridylle auf Hohen-Esp, der einsamen, uralten Burg, die sich auf bewaldeter Bergkuppe am Ufer der Ostsee erhebt und weithin über die blau wogende Unendlichkeit schaut. Sie gehört zu dem ältesten Grundbesitz der Familie, ein düsteres, altes Gemäuer, ein Krähenhorst, den die kokette Laune ehemaliger Bewohner gar eigenartig ausstaffiert hatte. Die Bärenburg gleicht in Wahrheit der Höhle eines Bären, denn die plumpen, massigen Mauern, der graue, stumpfe Turm sind im Inneren und Äußeren mit lauter Dingen ausgestattet, die an den Bären und seine wehrhaften Pranken erinnern.

Gundula war im ersten Augenblick erschrocken, als ihr die beiden riesenhaften Bären, die am Eingang des Burgtores Wache halten, aus grimmig offenen Rachen die Zähne entgegenfletschten, als ihr überall auf Schritt und Tritt in der ganzen Burg, wohin sie nur blickte, Bären in allen Größen und Arten entgegenschauten, als jedes Möbel oder jedes Gewebe ihr in Schnitzerei oder Muster das nämliche Motiv zeigten - Bären! Bären überall! Bald aber gefiel ihr diese absonderliche Eigenart, und je mehr sie sich in die Traditionen der Familie und den Gedanken hineinlebte, dass sie nun selber eine Bärin von Hohen-Esp geworden, eine jener seelen- und nervenstarken, stolzen, gewaltigen Frauen, welche seit vielen Jahrhunderten hier gehaust, wahrhafte Herrinnen der alten Zwingburg zu sein, da schlug ihr Herz hoch auf im stolzen Selbstbewusstsein, und beinahe zärtlich haftete ihr Blick auf den braunzottigen Gesellen, welche in dieser verzauberten alten Herrlichkeit die neue Gebieterin auf Schritt und Tritt begrüßten. ...